_BOOK BIZ

> Was macht eigentlich ein Herausgeber? Eine Herausgeberin?

Nessa schreibt häufig Beiträge für Anthologien; ihr gefällt die knappe Form der Short Story. In diesen Sammelbänden sind die Geschichten vieler Autoren zu einem Thema vereint. Wer kümmert sich um die Organistaion der Texte? Wer sammelt sie, wählt sie aus, bringt sie in Form?

rut+sylvijaNessa hat die beiden Herausgeberinnen vom Hit der diesjährigen Leipziger Buchmesse MÖRDORRISCH LEGGER aus dem Mitteldeutschen Verlag befragt, Ruth Borcherding-Witzke und Silvija Hinzmann:

Ihr seid zu zweit, Ruth und Silvija. Wie ist es zu eurer Zusammenarbeit gekommen?

Silvija:
Wir haben uns vor ungefähr drei Jahren eigentlich durch Zufall über einen anderen Verlag kennen gelernt, und zwar per E-Mail. Und da wir in vielen Dingen die gleiche Wellenlänge hatten, ist eine E-Mail-Freundschaft entstanden.

Ruth:
Persönlich kennen gelernt haben wir uns aber erst auf der Leipziger Messe 2006. Vorausgegangen sind hunderte von E-Mails und lange Telefonate.

Habt ihr das Projekt „Rezepte-Kurzkrimis“ selbst entwickelt oder ist ein Verlag auf euch zugekommen?

Ruth:
Ich hatte die Idee und habe Silvija gefragt, ob sie mir hilft. Sie war sofort dabei. Mit unserer Idee sind wir dann an den Verlag herangetreten, von dem wir wussten, dass er gerade eine ostdeutsche Krimireihe plant. Der Verlag hat unserem Konzept spontan und begeistert zugestimmt. Damit hatten wir zunächst gar nicht gerechnet. Aber das hat uns natürlich beflügelt.


Worin genau besteht eure Arbeit?

Silvija:
Die Arbeit einer Herausgeberin besteht darin, eine Idee bzw. ein Konzept für eine Kurzgeschichten- bzw. Kurzkrimisammlung wie in unserem Fall zu entwickeln. Dann wird das Hauptthema der Geschichten überlegt und festgelegt. Und man vergewissert sich, ob es das Thema schon gibt, d.h. Marktforschung ist schon sehr empfehlenswert. Man will ja nicht die zehnte Version einer bereits auf dem Buchmarkt bestehenden und womöglich gut laufenden Anthologie herausgeben.
Danach geht es auf die Suche nach Autorinnen bzw. Autoren und nach einem geeigneten Verlag. Hat dies alles erst einmal geklappt, beginnt die eigentliche Arbeit. Es ist jedenfalls bei uns keineswegs so, dass die Geschichten lediglich eingesammelt werden und danach dem Verlag übergeben werden. Wir haben mit den Autorinnen eng zusammengearbeitet und jede einzelne Geschichte auch persönlich betreut. Dabei ist der Aufwand je nach Autorin natürlich unterschiedlich gewesen.

Ruth:
Daneben sind auch rechtliche Aspekte zu bedenken und zu betreuen. So mussten wir uns z.B. um die Abdruckgenehmigungen für einige Rezepte kümmern und für mögliche Probleme Konzepte und Lösungen entwickeln.


Was hat am meisten Spaß gemacht, was am wenigsten?

Ruth:
Am wenigsten Spaß gemacht hat uns eine Phase, in der es wegen der Verträge zu einigen Missverständnissen bzw. Unstimmigkeiten gekommen war. Da wollten wir schon fast die Flinte ins Korn werfen.

Silvija:
Haben wir aber nicht! Dafür entschädigt hat uns letztendlich, das fertige Buch in die Hand zu nehmen und zu wissen, es ist geschafft und es ist so geworden, wie wir es uns vorgestellt hatten. Das war dann auf der Leipziger Messe 2006 der Fall, wo wir „Mördorrisch legger“ präsentieren konnten und auch viele der Autorinnen endlich auch persönlich kennen lernen konnten. Das war wirklich ein Highlight.

Wie habt ihr die Autoren gefunden?

Silvija:
Da unsere Anthologie ein sächsisches „Krimi-Kochbuch“ werden sollte, hatte Ruth bei ihrem Sachsen-Autorinnen-Stammtisch einige Autorinnen gefragt, ob sie mitmachen würden. Danach haben Ruth und ich überlegt, wen wir nehmen könnten. Über die Vereinigung der Krimiautorinnen Sisters in Crime, der wir selbst angehören, konnten wir weitere erfahrene Autorinnen in Sachen kulinarische Kurzkrimis gewinnen. Und - obwohl wir als Herausgeberinnen keine „einschlägigen Erfahrungen“ hatten, hat uns niemand einen Korb gegeben.


Hat euch der Verlag meist freie Hand gelassen, oder hat er sich stark eingemischt?


Ruth:
Der Verlag hat uns – ehrlich gesagt zu unserer Überraschung – freie Hand gelassen und lediglich ein paar Empfehlungen ausgesprochen. Die Zusammenarbeit war hervorragend.

Wie ist das Buchcover entwickelt worden? Eigene Entwürfe?

Silvija:
Die Idee zum Cover haben wir selbst entwickelt. Umgesetzt hat sie dann die Grafikerin des
Verlages. Wir und auch die anderen Autorinnen finden: Es ist ihr sehr gelungen!

Gab es sonst noch etwas besonderes, was ihr so erlebt habt?

Ruth:
Ja, wir haben wie schon erwähnt, in „Mördorrisch legger“ neunzehn Autorinnen versammelt; es ist kein männlicher Autor dabei. Darauf wurden wir öfter angesprochen. Dabei ist das keine Absicht gewesen. Aber manche (Männer) sehen das doch kritisch.

Wie viel Arbeit macht die Herausgabe einer solchen Krimisammlung? Lohnt sich das?

Ruth:
Ja, es ist sehr viel Arbeit. Die vielen Stunden am PC oder Telefon haben wir wirklich nicht gezählt.

Silvija:
Auf jeden Fall beschäftigt man sich mit der Planung und Organisation viel mehr, als man es sich anfangs vorstellt. Aber es lohnt sich auf jeden Fall, reich wird man davon aber nicht unbedingt.

Wie sieht das eigentlich konkret finanziell aus?

Ruth:
Darüber möchten wir nichts sagen, da es schließlich eine Sache zwischen uns und dem Verlag ist.

Silvija:
Es bewegt sich aber im üblichen Rahmen der Honorarvereinbarungen für Anthologien.

Würdet ihr es wieder machen?

Ruth und Silvija:
Wir sind ja schon mitten in der Vorbereitung! Das sagt wohl alles. Diesmal haben wir jedoch darauf geachtet, auch männliche Autoren für unsere nächste Anthologie zu gewinnen – vier sind nun dabei. Vielleicht gibt es ja doch noch Gleichberechtigung!

Was könnt ihr noch über euer neuestes Projekt sagen?

Ruth:
Es ist wieder eine kulinarische Kurzkrimisammlung. Diesmal nehmen wir das schöne Thüringen ins Visier.

Silvija:
Das werden also sozusagen "Morde zwischen Klüeß und Knölla..."
Für dieses Projekt haben wir auch bekannte Thüringer Persönlichkeiten gewinnen können.
Das Buch wird dann wieder zur Leipziger Messe präsentiert.

Eine letzte Frage:
Wer „Mördorrisch legger“! aufmerksam gelesen hat, hat bemerkt, dass eure Heldinnen, Margarete Schimmelpfennig aus Stuttgart und Elisabeth Jürgens aus Sachsen miteinander befreundet sind und in euren Geschichten gegenseitig auftauchen. Das ist doch kein Zufall, oder?


Ruth und Silvija:
Nein, wir haben uns da natürlich ein wenig abgesprochen ;-). Und auch in der Thüringer-Anthologie werden die beiden dabei sein. Das ist unser ganz persönliches Markenzeichen.



Kurzvita:

Silvija Hinzmann 1956 in Kroatien geboren, kam schon als Kind nach Deutschland. Sie lebt mit ihrer Familie in Stuttgart und arbeitet als selbständige Übersetzerin und Dolmetscherin u. a. für Gerichte und andere Justizbehörden. Dadurch kommt sie oft mit echten Kriminalfällen in Berührung. Wahrscheinlich hat sie deshalb eine Vorliebe für das Krimigenre entwickelt. Sie ist Autorin zahlreicher Kurzkrimis, eines Kriminalromans und Mitherausgeberin einer Krimianthologie.

Kontakt:
http://www.silvija-hinzmann.de
E-Mail: silvija.hinzmann@t-online.de

Ruth Borcherding-Witzke wurde 1959 in Hamburg geboren. Die gelernte Juristin lebt seit gut 12 Jahren in ihrer Wahlheimat Sachsenburg bei Chemnitz. Die zweifache Mutter schreibt seit ein paar Jahren überwiegend Kurzkrimis, von denen sie schon einige veröffentlicht hat. Zusammen mit Silvija Hinzmann hat sie im März dieses Jahres die Anthologie "Mördorrisch legger!" herausgegeben und arbeitet mit ihrer Freundin und Kollegin bereits an einem neuen Projekt.

Kontakt:
http://ruth-borcherding-witzke.de
E-Mail: borcherding-witzke@freenet.de

<< zurück zur Homepage