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grieshaber> Wie organisiert man eigentlich eine Lesung?

Die meisten Autoren lieben Lesungen. Aber dazu brauchts jemanden, der sie veranstaltet. Wir haben Barbara Grieshaber von der Stadtbibliothek Singen gefragt, wie sie ihre höchst erfolgreichen Lesungen organisiert:

> Wieviele Lesungen machen Sie im Jahr?

Das sind - rechnet man jede Schullesung während der Kinder- und Jugendbuchtage dazu - zwischen 70 und 80 Lesungen. Aber wie gesagt, der weitaus größte Teil, nämlich 55 Einzellesungen, entfällt auf die Kinder- und Jugendbuchtage.

> Wonach wählen Sie Autoren, die Sie anfragen, aus?

Da gibt’s in der Regel verschiedene Kriterien. Bei der Erzählzeit z. B. haben wir immer ein Motto, da sollten die Autoren natürlich vor nicht allzu langer Zeit ein Buch zum Thema veröffentlicht haben. Verlagsvorschauen sind da oft sehr nützlich, denn die Planung beginnt ja meistens schon ein Jahr vor der Veranstaltung, und wenn das Programm richtig rund werden soll, muss natürlich berücksichtigt werden, was sich im Laufe dieses Jahres auf dem Buchmarkt tut.

> Geht es auch manchmal andersherum? Kommen Autoren auf Sie zu?

Durchaus. Das sind dann oft Autoren, denen es bei uns gut gefallen hat, und wenn die letzte Lesung schon eine Weile her ist, das neue Buch zum Thema der Erzählzeit oder sonst wie in unser Veranstaltungsprogramm passt, laden wir Sie auch gerne wieder ein. Bei Kinder- und Jugendbuchautoren muss auch der Abstand zur letzten Lesung nicht so lange sein, dort wächst die Zielgruppe ja nach.

> Wie vermeiden Sie organisatorische Pannen? Wie lange planen Sie vorab?

Die Planung für die Kinder- und Jugendbuchtage, für die Erzählzeit und jetzt auch für die Krimitage beginnt in der Regel schon ein Jahr vorher. Noch nicht unbedingt die ganz konkrete Planung, der ungefähre Zeitraum steht ein Jahr vorher fest, ich schau mir Literatursendungen an, lese Buchbesprechungen, Verlagsvorschauen etc und lese die Bücher, die mir interessant erscheinen. Dann gehen die Anfragen an den Verlag, erste Termine werden fest gemacht, und so entsteht Stück für Stück eine Lesungswoche. So ein Wochenprogramm muss aber spätestens 2 Monate vor dem Termin endgültig stehen. Um Pannen zu vermeiden, braucht‘s schon etwas Erfahrung und vor allem ein gut eingespieltes und engagiertes Team, auf das ich mich 100% verlassen kann. Jeder weiß genau, was zu tun ist, dass er z. B. eine Flasche Wasser mitnehmen muss, wenn er einen Autor zu einer Schullesung begleitet und tausend ähnliche Kleinigkeiten.

> Wie wichtig ist der Lesungsort?

Auf einen passenden, stimmigen Lesungsort haben wir in Singen schon immer großen Wert gelegt. Wie wichtig das zur Lesung passende Ambiente ist, hängt natürlich auch von der Bekanntheit des Autors ab. Sehr bekannte Autoren füllen selbstverständlich auch jeden großen Saal ohne Atmosphäre, aber eben solche Säle können die beste Lesung kaputt machen. Es gibt bei uns ein paar Veranstaltungsorte von denen wir mittlerweile wissen, da gehen die Leute einfach gerne hin. Für jede Lesung den richtigen Ort zu finden ist allerdings nie ganz einfach, dazu sind immer wieder neue Rundgänge durch die Stadt nötig.

> Gibt es auch Autoren, deren Texte gut sind, deren Lesungen aber nicht ankommen?

Eigentlich eher selten. Natürlich sind nicht alle Autoren gleichzeitig hervorragende Vorleser, aber so richtig schlechte hatten wir bisher kaum. Es gab auch schon Autoren, die nicht selbst gelesen haben sondern jemand dabei hatten, der’s besser konnte.

> Welches sind die häufigsten Fehler, die Autoren bei Lesungen unterlaufen?

Ganz selten überzieht mal einer, d.h., er überschätzt die Aufnahmefähigkeit seines Publikums, aber ansonsten, mit einer guten Beschallung kriegt man alles hin.

> Haben Sie eine lustige Anekdote parat?

Das ist gar nicht so einfach. Natürlich gibt es viele schöne Erinnerungen an lange Nächte, gute Gespräche, auch an abenteuerliche Unternehmungen, weil z. B. der Zug auf der Strecke hängen geblieben ist. Es kam auch mal vor, dass ein Autor in der Kneipe versumpft ist, in der er am Nachmittag gelesen hatte, und deshalb zu spät zu seiner Abendlesung kam. Und noch zu DDR-Zeiten konnte sich ein Autor aus der DDR an den Schaufenstern nicht satt sehen und hat sich deshalb verspätet.

> Bekommen Sie Feedback von den Zuhörern?

Abgesehen davon, dass die Nachfrage nach Büchern der Autoren in der Stadtbücherei zunimmt – sowohl nach Veranstaltungen für Kinder wie für Erwachsene – gibt es immer jede Menge Lob- und Dankesworte von den Zuhörern oder – nach Lesungen in Schulen – Anrufe von Lehrern, die sich bedanken und die Bedeutung solcher Veranstaltungen betonen.

> Kann man sich in einer Stadt wie Singen ein Lesepublikum heranziehen? Man kann tatsächlich. Mit Geduld und Ausdauer und einem gleichbleibend guten, durchaus anspruchsvollem Programm. In Singen hat es funktioniert, weil die Menschen hier m. E. aufgeschlossen und offen für Neues sind.

> Woher kommen die finanziellen Mittel?

Zum größten Teil sind das städtische Mittel. Zur Erzählzeit gibt es einen Zuschuss vom Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg, bei den Kinder- und Jugendbuchtagen haben wir seit 2 Jahren die Sparkasse Singen-Radolfzell als Sponsor dabei, und die eine oder andere Veranstaltung wird von der Lesegesellschaft Singen, einem Freundeskreis der Stadtbücherei, mitfinanziert.

> Wie sorgen Sie dafür, dass die Säle voll werden?

Wir haben inzwischen ein Stammpublikum, auf das wir zurückgreifen können. Außerdem lehrt die Erfahrung, was in einer Stadt geht und in einer anderen nicht, und danach richtet sich, welche Veranstaltungen wir anbieten. Aber ohne ein durchdachtes Werbekonzept (Flyer, Plakate, Einladungen, Presse) geht natürlich nix.

> Wie organisieren Sie den Büchertisch?

Dafür braucht eine öffentliche Bücherei immer eine Buchhandlung. Und glücklicherweise haben wir mit der Buchhandlung Lesefutter in Singen eine Partnerin, die bei jeder Lesung mit großem Engagement dabei ist und für die nicht der Verkauf von Büchern an erster Stelle steht.

> Herzlichen Dank, Frau Grieshaber!

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