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grieshaberWnterview mit Nessa Altura - Krimiworkshop - live und online: Einführung in das Handwerkszeug des Krimischreibens

> Nessa Altura: Lisa Kuppler und Carlo Feber, ihr unterrichtet Krimiworkshops. Wie lange schon?

Carlo Feber und Lisa Kuppler: Vor fünf Jahren haben wir am Literaturhaus München das erste Krimischreib-Seminar gegeben und danach an vielen Institutionen in ganz Deutschland unterrichtet. Aus den Erfahrungen haben wir mittlerweile ein dreistufiges Krimischreib-Programm (AnfängerInnen, Fortgeschrittene, Schreibwerkstatt) und ein Basis-Kurs Creative Writing entwickelt, außerdem bieten wir in Kooperation mit Hotels einwöchige Schreiburlaube (mit Schwerpunkt Krimi oder Creative Writing) an.

> Nessa Altura: Gerade habt ihr einen Workshop bei akademie.de beendet. Was ist das eigentlich für ein Anbieter und wie ist es dazu gekommen, dass ihr dort als Workshopleiter fungieren konntet?

Carlo Feber und Lisa Kuppler: akademie.de ist ein Bildungsportal im Internet, das in vielen Themenbereichen von Web-Design, Steuerfragen bis Literatur Online-Erwachsenenbildung anbietet. Die Mitarbeiter von akademie.de stellen sozusagen die "Hardware" - die Plattform, die Programmierung, die Organisation - und sie holen sich qualifizierte DozentInnen, die ihnen die "Software" bieten - also die Inhalte der Studientexte und die fachliche Betreuung der TeilnehmerInnen während des vierwöchigen Workshops. Wir sind durch klassisches Networking dazu gekommen: Eine „Mörderische Schwester“ war angesprochen worden, ob sie jemanden für einen geplanten Workshop zum Krimischreiben kenne. Sie hatte an einem unserer Kurse im Berliner Literaturhaus teilgenommen – und hat uns empfohlen.

> Nessa Altura: Wie viele Teilnehmer nehmen gewöhnlich an den Workshop teil? Besteht die Gruppe der TeilnehmerInnen eher aus professionellen Schreibern oder aus Laien? Oder ist sie normalerweise gemischt?

Carlo Feber und Lisa Kuppler: Die Anzahl der Teilnehmer in den online-Kursen unterscheidet sich kaum von unseren „live“-Seminaren, in der Regel sind es acht bis zwölf Leute. Die Zusammensetzung der Gruppen variiert stark, sie reicht vom klassischen Hobbyschreiber bis zur Profi-Autorin, die sich mal im Bereich Krimi schlau machen will. Wir hatten schon schreibende Manager und Spiegel-Journalistinnen dabei, einmal bestand ein Kurs fast nur aus Übersetzerinnen und anderen Creative-Writing-Lehrerinnen. Meistens haben die Teilnehmer bereits Schreiberfahrungen gesammelt, vielleicht auch schon Manuskripte bei Verlagen eingereicht haben, die dann mit nettem Formbrief abgelehnt wurden. Sie wissen deshalb, dass sie noch nicht alles drauf haben und sind sehr lern- und wissbegierig. Den Creative Writing-Kurs haben wir speziell für Menschen entwickelt, die noch keine oder sehr wenig Schreiberfahrung haben, aber gerne schreiben lernen möchten.

> Nessa Altura: Worin, würdet ihr sagen, unterscheidet sich der Kriminalroman von anderen belletristischen Romanen, mal abgesehen zentralen Thema der Delinquenz?

Carlo Feber und Lisa Kuppler: Der Krimi, so wie er heute geschrieben und veröffentlicht wird, unterscheidet sich eigentlich kaum mehr von anderen belletristischen Romanen, die inzwischen alle unter dem Oberbegriff der "unterhaltenden Literatur" in den Buchläden stehen. Auch "normale" Romane haben sehr, sehr oft Verbrechen und Gewalt zum Thema. Das interessante am Krimi ist ja genau, dass dieses Genre es in den so genannten Mainstream der unterhaltenden Literatur geschafft hat - im Gegensatz z.B. zum Liebesroman oder der Science Fiction/Fantasy. Genau wie alle andere unterhaltende Literatur unterscheidet sich der Krimi allerdings von der so genannten "ernsten" Literatur. Dieser Unterschied ist im Einzelfall (z.B. bei einem Buch wie Daniel Kehlmanns Die Vermessung der Welt) schwer auszumachen, doch typischerweise ist unterhaltende Literatur Spannungsliteratur, die durch Plot und sauberes Handwerk die LeserInnen zur Identifikation mit den Figuren anregt und an die Geschichte "fesselt". Vielleicht könnte man den Unterschied so zusammenfassen: In der ernsten Literatur ist das Lesevergnügen ein intellektuelles, in der unterhaltendes ein intuitiv-gefühlsmäßiges.

> Nessa Altura: Was war das Lustigste, das euch in einem Workshop begegnet ist? Und was das Peinlichste?

Carlo Feber und Lisa Kuppler: Wir haben viel Spaß mit den Teilnehmern, wenn wir uns über den Krimi und das Schreiben die Köpfe heiß reden … und die mit uns, wenn wir wieder den ersten Preis im Schnellsprechen bekommen. Ein wahnsinnig peinlicher Moment war für Lisa, als sie einmal in einem Creative Writing-Kurs an der Uni groß über den Unterschied zwischen Autor und Erzähler dozierte und als Beispiel den Text einer schwarzen Studentin benutzte. Es stellte sich dann aber heraus, dass der Text, in dem die Ich-Erzählerin schwarz war, gar nicht von dieser Studentin, sondern von einer anderen, weißen Studentin, stammte. Peinlich, peinlich ... Aber großartiges Anschauungsmaterial für die StudentInnen.

> Nessa Altura: Kritik in akzeptable Form zu gießen, ist ja manchmal nicht einfach. Habt ihr da eine bestimmte Technik entwickelt?

Carlo Feber und Lisa Kuppler: Wir kündigen immer vor den Workshops an, dass wir nicht der Papst und die Päpstin des Kriminalroman sind, dass es im kreatives Schreiben kein absolutes Falsch und Richtig geben kann. Deshalb erlauben wir es uns auch, bei bestimmten Punkten unterschiedliche Meinungen zu vertreten. Von Carlo kommt dann eher die Autorenseite, von Lisa die Seite der Lektorin. Bei den Kommentaren zu den Teilnehmertexten achten wir immer genau darauf, dass wir sowohl Stärken wie Schwächen benennen. Das ist nicht immer einfach, doch unsere Erfahrungen zeigen, dass die TeilnehmerInnen gerade auch dann viel begreifen, wenn sie hören, was sie richtig gemacht haben. Wir diskutieren intensiv mit den TeilnehmerInnen, warum etwas nicht gelungen ist. Unsere Devise ist: (Fast) alles ist möglich, doch es muss einen - inhaltlichen, plottechnischen, ästhetisch-literarischen - Grund dafür geben. Bis jetzt haben die TeilnehmerInnen immer sehr, sehr gut auf die z.T. auch sehr harte Kritik ihrer Texte reagiert. Wir denken, auch das ist eine Stärke unserer Workshops: Wir wollen keine Feelgood-Atmosphäre schaffen, in der alle Texte als gleich gut bewertet werden - denn so reagieren ja auch weder LeserInnen noch die LektorInnen bei den Verlagen auf Texte. Was wir wollen, ist eine freundliche, kooperative Atmosphäre, in der sich alle trauen, auch vermeintlich dumme Fragen zu stellen und konstruktiv zu kritisieren.

> Nessa Altura: Wenn ihr Krimis professionell begutachtet, was sind eure Kriterien?

Lisa Kuppler: Vor allem braucht ein Manuskript, das "veröffentlichungswürdig" ist, eine außerordentliche und packende Geschichte. Dann muss das Manuskript handwerklich sauber geschrieben sein (das betrifft Spannungsbogen, Perspektive, Plotting, Grammatik, Dialoge, Rückblenden etc. etc.), doch das ist eigentlich eine Selbstverständlichkeit. Dasselbe gilt für eine fehlerlose Rechtschreibung und Zeichensetzung (!). Dazu kommen "äußere" Kriterien: Trifft das Thema einen Zeitgeist? Greift es aktuelle politische und gesellschaftliche Strömungen und Entwicklungen auf? Ist die Geschichte am Puls der Zeit? Oder ist sie so abwegig und überhaupt nicht zeitgeist-konform, dass es schon wieder gut ist? Wie passt das Manuskript in die Geschichte des Genres, was bringt es Neues und Spannendes? Werden Genrekonventionen intelligent bedient, Genreklischees und Klischees - sprachliche und inhaltliche - vermieden? Auch die Persönlichkeit des Autors ist wichtig, ist er oder sie "vermarktbar"? Dabei ist es nicht logischerweise so, dass es nur positiv gewertet wird, wenn der Autor z.B. einen Beruf hat, der ihn zu einem Experten zum Thema seines Krimis macht. Eine Ausbildung zum Kriminalkommissar hat noch keinen zu einem guten Krimiautor gemacht. Expertenwissen ist gut, doch ein professioneller Autor, der gut recherchieren kann, ist besser. Nessa Altura: Kann man beim eigenen Workshop auch noch etwas für die eigene schriftstellerische Arbeit lernen?

Carlo Feber: Ganz gewiss! Es schadet keinem Autor, wenn er sein eigenes Tun reflektiert. Die Arbeit mit den Texten schärft einfach den Blick für die Sprache und dafür, warum manche Erzählabsicht vom Autor eingelöst wird und warum es an anderen Stellen scheitert. Die Begegnung mit der Kreativität von anderen ist immer wieder faszinierend. Nichts fördert das eigene Schreiben mehr als das genaue Lesen der eigenen und vor allem Texte von anderen. Und das gilt für uns bei den Teilnehmertexten auch.

Die nächsten Workshops zum Thema "Krimi schreiben" von Lisa Kuppler und Carlo Feber: Während der Criminale bieten wir unter dem Motto "PENG - UND TOT!" einen Krimi-Kurz-Workshop an, und zwar am Freitagmorgen während der Criminale, am 20. April 2007. Weitere Informationen und Anmeldung: http://www.pfalzakademie.de

Ebenfalls in Kooperation mit der PfalzAkademie findet vom 1. bis 3. Juni 2007 unser nächster Krimischreiben-Wochenendkurs "Der Mörder ist nicht immer der Gärtner: Einführung ins Krimischreiben" statt. Weitere Informationen und Anmeldung: http://www.pfalzakademie.de

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